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Fasten & Yoga (Teil 1)

ulrikestemmeler

Fasten - der Verzicht auf feste Nahrung
Fasten - der Verzicht auf feste Nahrung

Jedes Jahr, nach den jecken Tagen, beginnt in der christlichen Tradition die Fastenzeit. Ein guter Zeitpunkt sich mit dem Thema Fasten einmal genauer auseinanderzusetzten.

Das Fasten, also der Verzicht auf (bestimmte) Nahrung, ist eine Praxis mit langer Tradition. In den meisten Kulturen und Religionen findet man Fastenrituale. Aber auch in der Medizin wird das Fasten sowohl therapeutisch als auch präventiv erfolgreich angewandt. Dabei gibt es mittlerweile so viele unterschiedliche Fastenmethoden, von denen eine wirksamer als die andere zu sein behauptet, dass man schnell den Überblick verlieren kann. Wann macht Fasten für wen Sinn? Und mit welcher Methode? Wo liegen die Unterschiede? Und was gibt es zu beachten? Immer wieder wird im Rahmen von Fastenkuren auch das Praktizieren von Yoga angeboten, ein Zufall? All diesen Fragen möchte ich in diesem und dem nachfolgenden Blogeintrag nachgehen.  


Bevor ich mich aber der Methodik und den Wirkungen des Fastens beschäftige, möchte ich den Fokus darauf lenken, was das Fasten für den Fastenden eigentlich bedeutet. Der freiwillige Verzicht, sich selber einzuschränken, sich etwas Liebgewonnenes, vielleicht sogar begehrtes zu versagen bedarf Disziplin, Durchhaltevermögen und Mut. Mut? Manchmal schon. Denn durch den praktizieren Verzicht entzieht man sich von den sozialen Gepflogenheiten, zu mindestens für eine Zeit. Dadurch eckt man auch schon mal an. Außerdem ist Verzicht auch ein Wagnis, denn es besteht schließlich die Möglichkeit des Scheiterns. Das gilt vor allem, wenn man zum ersten Mal fastet und sich selbst noch nie in einer Situation des Nahrungsmangels erlebt hat. Es bietet dafür aber auch die Möglichkeit, eine weitere Seite an sich selber kennenzulernen, sich selbst neu zu erfahren. Die (Selbst)Erfahrung ist für uns im Yoga von zentraler Bedeutung. So ist wohl kein Zufall, dass auch die alten Yogis, mit der Praxis der Askese experimentierten. Dabei war der Verzicht jedoch nur ein Teil der Askesepraxis, denn der Verzicht auf Genussmittel und Sexualität wurde ergänzt mit Maßnahmen zur geistigen und körperlichen Ertüchtigung und Weiterentwicklung. Es ging also darum, bestimmte Fertigkeiten zu erlangen, indem man diese übte und andererseits auf Dinge zu verzichteten, die dem Ziel im Wege standen oder davon ablenkten. Keine schlechte Idee, wie ich finde. Allerdings wurden die asketischen Praktiken oftmals bis ins extrem getrieben, was, aus heutiger Sicht, die Askese in ein eher fragwürdiges Licht rückt.


Ziehen wir das Yogasutra[1] von Patanjali zu Rate, so finden wir in den Niyamas (den fünf Regeln, die den Umgang mit uns selbst definieren), als drittes den Begriff tapas. Sriram übersetzt tapas mit Selbstdiziplin und Leidenschaft. T.K.V. Desikchar beschreibt tapas als „das Lösen von Blockaden in unserem Körper und Geist, indem wir in unserem Leben eine gewisse Disziplin einhalten; Disziplin bezieht sich hier vor allem auf Körper- und Atemübungen, auf unsere Ernährung, Schlaf und den Umgang mit Arbeit und Erholung“. Mein Verständnis von tapas ist, dass es für ein gutes und gesundes Leben einer gewissen Disziplin und auch eines gewissen Entsagens bedarf, ebenso wie einer gewissen Leidenschaft eines Drangs, sich selbst und andere/anderes zu entdecken, kennenzulernen und zu erfahren. Dabei geht es nicht um Extreme, sondern darum ein Gleichgewicht zu finden. Ausgerichtet zu sein auf ein Ziel, das man mit Leidenschaft und Disziplin verfolgt, ohne sich darin zu verlieren. Dabei kann es von Zeit zu Zeit sinnvoll sein, sich einer Seite der Medaille stärker zuzuwenden um dann wieder den Weg zur „Mitte“ zu finden. Insofern kann eine Fastenpraxis die Yogapraxis sicherlich bereichern und umgekehrt auch.


Das Ende der Karnevalszeit ist somit ein guter Zeitpunkt um sich zu fragen, worauf würde es mir schwer fallen zu verzichten? Warum ist das so? Und lohnt es sich vielleicht gerade deshalb den Verzicht einmal zu wagen? Dabei muss es ja heutzutage nicht immer um Nahrung oder Sexualität gehen, wie es früher Brauch war. Immer häufiger wird auch auf ganz andere Dinge oder Gewohnheiten „gefastet“, so zum Beispiel auf die Nutzung von sozialen Medien oder die Verwendung von Schimpfwörtern. Sicherlich eine Überlegung wert…

Im zweiten Teil geht es dann um die Methoden und Wirkungen des Fastens im engeren Sinne, also um den Nahrungsverzicht.

 

Verwendete Quellen:

Sriram, R.; Patanjali. Das Yogasutra. Theseus Verlag, 2. Auflage, 2006.  

Desikachar, T.K.V.; Über Freiheit und Meditation. Das Yoga Sutra des Patanjali. Eine Einführung. Via Nova Verlag, 5. Auflage, 2011.


[1] Traditionelle Schrift / Ursprungstext des Yoga, der auch heute noch als Leitfaden des Yoga gilt. Der Text besteht aus 195 Versen, die die Essenz des Yogaweges in konzentrierter Form darlegen. Zum Verständnis der kurzen Sanskrit-Verse bedarf es eines interpretierenden Kommentars. 

 
 

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